Expo in Dubai: Österreich-Pavillon gewinnt renommierten Preis!

Es sind nicht nur die 38 Betonkegeltürme, die den Österreich-Pavillon auf der Expo in Dubai zur Besonderheit machen. Aufmerksamkeit erzeugte der faszinierende Pavillon trotz seiner filigranen Schönheit vor allem, weil er als regelrechte Manifestation des Expo-Mottos gelten darf – und damit auch direkt auf unsere Klimazukunft hinweist: „Connecting Minds, Creating the Future“ heißt es da. Kein Wunder also, dass der fantastische Bau jetzt den renommierten „Architektur- & Designpreis 2021“ gewonnen hat – in der Kategorie „Nachhaltige Architektur“. Das ist nicht nur für die österreichische Betonbranche eine Feierstunde.

Thomas Mühl, Vorstand von Beton Dialog Österreich, freute sich – und ließ sich gleich zu einem deutlichen Statement hinreißen: „Diese Auszeichnung ist ein weiterer Erfolg für Beton als Baustoff, der, klug eingesetzt, nicht nur ästhetisch überzeugt, sondern sich bei diesem Projekt als besonders nachhaltig präsentiert.“

Konzipiert wurde der Pavillon für die vielbeachtete Weltausstellung, die ursprünglich von Oktober 2020 bis April 2021 stattfinden sollte, vom renommierten Wiener Architekturbüro querkraft architekten. Auf einer Fläche von 2.400 Quadratmetern entstand im Dubai Exhibition Centre ein innovatives Gebäude, das die Aufgaben der Zukunft ernst nimmt – denn der Österreich-Pavillon kommt weitgehend ohne technische Kälteerzeugung aus und benötigt bis zu siebzig Prozent weniger Energie als konventionell klimatisierte Gebäude in Dubai.

Dubai: Nachhaltigkeit bei Hitze

Gerade in der für Mitteleuropäer mehr als gewöhnungsbedürftigen Hitze Dubais sind die Ideen und Visionen spürbar, die das Kunstwerk der Wiener Architekten in direkten Kontext mit gesellschaftlich relevanten Themen unserer Zeit setzt. Hier, in der Hauptstadt des Emirats Dubai und der mit Abstand größten Metropole der Vereinigten Arabischen Emirate, ist die menschengemachte Erderwärmung durch den Klimawandel greifbar.

1 expo2020 austria pavillon © andreas keller, www.keller fotografie.de
Perfekt eingebunden in die Umgebung: Der Österreich-Pavillon (sämtliche Fotos: Andreas Keller)

Dubai möchte auch aus diesem Grund die Aufmerksamkeit nutzen, die mit der Expo verbunden ist. Auch wenn sie erst zum 1. Oktober 2021 eröffnet wurde, trägt die erste Weltausstellung auf arabischem Boden die Bezeichnung „Expo 2020“. Bereits im April 2020 hatte die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate die Verschiebung wegen der Pandemie beantragt. Bis zum 31. März 2022 läuft das Großevent.

Bauphysikalisches Konzept und Nachhaltigkeit

Bei querkraft architekten, die neulich erst in Wien mit dem „Ikea city center“ am Wiener Westbahnhof international Aufsehen erregten, bedeutet das Wörtchen „querdenken“ noch etwas anderes, als heute – leider – gemeinhin damit verbunden wird. Denn das „quer“ bestimmt bei der renommierten Architektengemeinschaft maßgeblich die Arbeitsweise, wie es auf der Website heißt: Hier entstehen mit „Empathie und Neugier“ und „mit höchstmöglicher Effizienz“ ebenso „emotionale wie simple Lösungen“. Im Fokus des Büros stehen laut eigener Aussage „adaptierbare Strukturen, die dem Menschen Raum und Freiheit geben sollen.“

Da liegt es fast auf der Hand, dass das Architektenteam die traditionelle arabische Architektur als Ausgangspunkt und Inspiration nahm. Die erfahrenen Spezialisten spürten dem darin ganz klassisch verborgenem Wissen nach, ein angenehmes Raumklima zu erzeugen – ohne Technik und unter Ausnützung des hier enormen Temperaturgefälles zwischen der Hitze des Tages und der Kälte der Nacht. Ganze Generationen von Berbern gaben ihr Wissen um erträgliche Behausungen in den häufig eher lebensfeindlichen Regionen weiter: Wissen, das heute wertvoller als je erscheint.

Also machte sich das Architekturteam auf die Suche nach einer Lösung, die gleich mehrere Aspekte unter einen Hut bringen sollte: Konstruktion, Climate-Engineering, Nachhaltigkeit – und natürlich Kosten. Auch wenn das Ergebnis sicher schnell feststand: Es wurden immerhin verschiedene Materialien und Mischbauweisen ausprobiert. Und der Gewinner war – der Baustoff Beton. Genauer: Als optimale Lösung fanden die Profis eine modulare Konstruktion aus Beton-Fertigteilschalen – in einer Stärke von fünfzehn Zentimetern.

Modulare Bauweise: Beton als idealer Baustoff

Das Wiener Architektenteam begann die Arbeit mit einer kleinen Verbeugung vor der Bedeutung der Mathematik, die im arabischen Raum traditionell weit verbreitet ist. Während nämlich in Europa im Mittelalter die antiken Werke in Vergessenheit geraten waren, fanden die antiken griechischen Kenntnisse der Mathematik Einzug in die Architektur jener Regionen, wobei auch aus Indien viel mathematischer Einfluss verbucht wurde. Daher war es in den Augen der Architekten logisch, dem Pavillon der Alpenrepublik ein geometrisches Grundmotiv zu verpassen – und auf plakative Länderklischees und „Alpendudelei“ zu verzichten. So entstand die Form eines Kegels mit einem Durchmesser von sieben Metern an der Basis. An der Spitze ist es gerade noch ein Meter. Insgesamt 38 Kegel unterschiedlicher Höhe wurden sorgsam auf einem Raster arrangiert und miteinander verschnitten. Diese haben Höhen von sechs, neun, zwölf und fünfzehn Metern.

So richtig raffiniert wird es, wenn ein Kegel mit einem anderen verschnitten wird. Denn dort entsteht eine ebene Kurve – als Teil einer Hyperbel. Daraus ergibt sich beim Pavillion ganz praktisch auch die Form der Ein- und Durchgänge: Verschneidet man vier Kegel, ergibt das in der Mitte einen Stützpunkt. Und wenn man alle Kegel miteinander verschneidet, entsteht eine Säulenhalle – ganz ähnlich einer Moschee.

Acht verschieden große Beton-Fertigteile

Der Clou: Letztlich benötigte das Team nur acht verschieden große Beton-Fertigteilschalen, um die einzelnen Kegeltürme wie bei einem Kinder-Bausatz zusammenzusetzen. Das zeigte wiederum die Raffinesse der „querkraft architekten“ – und demonstrierte ganz nebenbei, wie günstig sich heute mit Beton bauen lässt.

8 expo2020 austria pavillon © expo austria

Beton: Auch als Speichermasse der richtige Baustoff

Dass sich Beton auch bei der Klimatisierung des Pavillons als idealer Baustoff erwies, ist nur eine logische Konsequenz. Das beginnt bei der ausgeklügelten Architektur: Tagsüber bleiben die Abdeckungen der unterschiedlich hohen Kegeltürme geschlossen – und nachts werden sie geöffnet. Damit wird der thermische Auftrieb für eine forcierte Luftströmung genutzt, was die Kühlung der innenliegenden Speichermassen bewirkt. Dieser hochwirksame Kühleffekt sorgt dafür, dass tatsächlich weitgehend auf konventionelle Klimatechnik verzichtet werden kann.

Das funktioniert wiederum denkbar einfach: In der Art eines Verbundstoffes sind die Beton-Fertigteilschalen innen mit einer Lehmschicht ausgekleidet, die Luftfeuchtigkeit bindet. Außen sind die Fertigteilschalen mit weißer Farbe beschichtet, die das Sonnenlicht reflektiert, was auf simple Weise den Hitzeeintrag reduziert. Wie hier klassisches Low-Tech mit innovativem High-Tech verknüpft wird, das ist absolut vorbildlich. Für diese intelligente Kombination aus Konstruktion, Geometrie und Materialien zeichnet das Wiener Ingenieurbüro P. Jung verantwortlich, das sich auf moderne Konzepte für intelligente Gebäude spezialisiert hat und Klimaengineering, Green-Building-Design und kompetente Energieberatung anbietet.

Nachhaltig: Lebenszyklus verlängert

Der als „Expo-Architekt“ auch in der Boulevardpresse bekannt gewordene Gerd Erhartt rechnet vor, dass fünfzig Prozent der CO₂-Emissionen bei der Errichtung eines Gebäudes entstehen – die andere Hälfte ergibt sich aus einem auf sechzig Jahre dauernden Betrieb. Daher hatten sich Erhartt und sein Team das Ziel gesetzt, den Pavillon nicht nur für die Dauer von gerade einmal sechs Monaten auszulegen, sondern eine möglichst gute und dauerhafte Nachnutzung zu finden.

Auch im Sinne der Nachhaltigkeit erweist sich der Einsatz von Beton als Glücksfall: Die Beton-Fertigteile der 38 Kegel können äußerst einfach rückgebaut und an einem anderen Ort wiederaufgebaut werden. Dass sich dafür Abnehmer finden, war den Architekten sofort klar – und tatsächlich bekundete schnell eine Universität im Oman Interesse. So ist es gut möglich, dass nach der Expo in Dubai zumindest Teile des Österreich-Pavillons auf dem Campus jener Universität zu finden sein werden.

4 expo2020 austria pavillon © kieran fraser landscape design

Oder doch nicht? Bleibt der Pavillon vielleicht am Ende am Expo-Gelände in Dubai? Die begeisterten Veranstalter können sich das vorstellen – und werden sicher durch die Auszeichnung mit dem „Architektur- & Designpreis 2021“ in ihrer Entscheidung bestärkt.

Nachhaltigkeit – auch durch emotionale Strahlkraft

Für die Architekten ist es von essenzieller Bedeutung, durch zukunftsweisendes Wirtschaften die Verlängerung des Lebenszyklus von Gebäuden zu erreichen. Wie Gerd Erhartt betont, ist es dafür nötig, Gebäuden eine „emotionale Strahlkraft“ zu verleihen, also eine baukulturelle Wertigkeit. „Dass die Lebensdauer von Gebäuden kurz ist, liegt meist daran, dass sich deren Nutzung ändert“, sagt Erhartt. Und weiter: „Ein flexibles Skelett aus Beton bietet die Möglichkeit der Nutzungsänderung.“ Beton ist also nicht nur wegen seiner allseits bekannten Eigenschaften wie Recycelbarkeit und Flexibilität das unverzichtbare Baumaterial der Zukunft – er ist aus zahlreichen weiteren Aspekten die perfekte Lösung kniffliger Herausforderungen. Die Wiener Architekten haben den Beweis angetreten, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.

Alle Fotos sind von Andreas Keller, wir bedanken uns für das tolle Material! Weitere Infos zum Fotografen gibt es auf seiner Website.