Seestadt Aspern: Innovationen mit Beton

Es ist eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas – und vielleicht das, bei dem die größte Lust an zukunftsorientierten Innovationen zu spüren ist: Bis 2028 entsteht im Nordosten Wiens die Seestadt Aspern. Damit erhält der dynamische 22. Wiener Gemeindebezirk eine ureigene Stadt mit Herz und Hirn, die bereits jetzt voller Impulse steckt. Die ganze Welt blickt nach Wien, denn in Aspern wird eine nachhaltige Lebendigkeit erwartet, die für viele Länder vorbildlich sein kann. Eine wesentliche Rolle spielt der Baustoff Beton, der hier auch bisher weniger bekannte Vorzüge unter Beweis stellt.

Mehr als 20.000 Menschen werden in der Seestadt Aspern in hochwertigem Wohnraum leben. Und weil in Aspern die Balance fester Bestandteil der Planung ist, entstehen hier fast ebenso viele Arbeitsplätze – weil hohe Lebensqualität und dynamische Wirtschaftskraft zusammengehören. Und weil sich Urbanität und Entschleunigung in vorbildlicher Manier gemeinsam in die Lebenswirklichkeit einfügen.

Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt (Bildrechte: Franz Ertl/Vasko+Partner)

So sind es also viele Faktoren, die Aspern zum begehrten Standort für Familien, Start-ups und Einzelhandel gleichermaßen macht – und ebenso für Investoren und etablierte Unternehmen. Dass die Seestadt Aspern sich ihren Ruf als Labor für Innovationen immer wieder aufs Neue verdient, bewies ein Rundgang am 16. September 2021. Im Mittelpunkt standen zwei Projekte mit absolutem Vorbildcharakter: Der Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt und das Schwammstadt-Testprojekt im Quartier „Am Seebogen“ dürfen als herausragende Beispiele für Nachhaltigkeit gelten, die mit Sicherheit Schule machen werden.

Arch DI Christoph Karl
(Foto: Marijana Klasan)

„Ein Gebäude zum Wohlfühlen für Groß und Klein!“
Christoph Karl, Architekt

Es war eine historische Situation, die für die Seestadt einen Meilenstein darstellt: Der Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt wurde gerade eröffnet. Geplant wurde er von einem der wohl vielseitigsten Architekturbüros in Wien: Als „kub a“ wurden Karl und Bremhorst Architekten mit Bauten aus so unterschiedlichen Bereichen wie Kultur und Bildung, Verwaltungsbüros, Gewerbebauten und auch mit städtebaulichen Maßnahmen bekannt. Viele Beobachter sind der Meinung, dass ihnen mit dem Bildungscampus ein Meisterwerk gelang, das „technisch quasi alle Stückln“ spielt, wie Architekt Christoph Karl beim Rundgang erläuterte: „Die Seestadt Aspern erhält mit dem neuen Campus einen modernen Bildungsbau, in dem ein innovatives Energiekonzept mit dem Einsatz erneuerbarer Energieformen in einem hochwertigen architektonischen Ambiente verwirklicht wird. Ein Gebäude zum Wohlfühlen für Groß und Klein!“

Soziales Miteinander: Unter einem Dach

Bildungscampus mit Vorbildcharakter (Fotorechte: Franz Ertl/V+P)

Der Bildungscampus der Stadt Wien bringt mehrere wichtige Einheiten unter ein Dach: Er beherbergt einen Kindergarten, eine Volksschule, eine neue Mittelschule sowie sonderpädagogische Einrichtungen. Insgesamt können hier weit über tausend Kinder und Jugendliche ganztägig betreut werden – auch eine logistische Leistung. Direkt nebenan gibt es ein Jugendzentrum, ein Café, einen Veranstaltungsraum sowie viele Sportflächen.

Die Besonderheit des architektonischen Highlights liegt aber im nachhaltigen Konzept – energietechnisch ebenso wie auch sozial. Denn es gibt hier Gärten und Dachgärten, und was besonders schön ist: Die Schülerinnen und Schüler dürfen die angrenzenden Plätze und Grünflächen genauso nutzen wie die Bewohnerinnen und Bewohner. Extra für die Jüngeren stehen Spielplätze zur Verfügung, die ebenfalls für die Lebendigkeit des Konzeptes stehen. Der Nachwuchs kann so altersübergreifend und projektorientiert spielen und lernen, auch Rückzugsnischen stehen zur Verfügung. „An diese Bereiche schließen rundum Balkone und Terrassen an, die auch Platz für Unterricht im Freien bieten. Mit flexiblen Möbeln lassen sich die Räume rasch für unterschiedliche Unterrichtsmethoden anpassen“, erläutern Karl und Bremhorst Architekten.

Aufbau einer Thermischen Bauteilaktivierung (3D-Modell)

Thermische Bauteilaktivierung: Innovative Form des Heizens und Kühlens

Die begrünte Fassade erfüllt nicht nur optisch positive Wohlfühlaspekte, sie bildet auch einen natürlichen Sonnenschutz. Beim Energiekonzept setzten die Architekten voll und ganz auf die enorme Speicherkapizität des universellen Baustoffs Beton: Das Konzept der innovativen Thermischen Bauteilaktivierung wurde vom Unternehmen FIN – Future is Now erarbeitet, wo man viel Erfahrung in der Ausstattung von Betonbauten hat. Dass bei einem so zukunftsweisenden Projekt ohne fossile Energieträger geheizt und gekühlt wird, liegt auf der Hand – mit modernen Betonbauteilen ist das schon lange kein Problem mehr. Eine Wärmepumpe bringt mit Hilfe von Wasserrohren, die direkt in die Betonbauteile eingearbeitet sind, die Wärme oder Kühle in die jeweiligen Räume. Dabei wird die Speichermasse Beton perfekt genutzt – wobiel die Wärmepumpe über die Photovoltaikanlage am Dach mit Strom versorgt wird.

Der Bildungscampus ist damit nicht nur energietechnisch weitgehend autark, er bietet durch die großflächige Art des Heizens oder Kühlens auch das ganze Jahr über eine exzellente Atmosphäre. Denn durch die Thermische Bauteilaktivierung gelingt es, die Räume praktisch ohne Temperaturschwankungen zu heizen und zu kühlen – wodurch an heißen Tagen auch eine Klimaanlage überflüssig wird. Bernhard Jarolim, Baudirektor der Stadt Wien, war denn auch begeistert beim Rundgang – vor allem, weil hier ausschließlich auf erneuerbare Energiequellen gesetzt wird: „Ein spektakuläres Konzept, das mit Sicherheit Schule machen wird!“

Beton: Lösungen für den Klimawandel – auch zur Entsiegelung

Das zweite Beispiel für eine Nachhaltigkeit, die weit in die Zukunft hineinwirkt, ist das Quartier „Am Seebogen“. Fast zehntausend Quadratmeter Straßenoberfläche wurden hier aus Betonsteinen errichtet. Getestet wird bei diesem Vorzeigeprojekt das sogenannten Schwammstadt-Prinzip. Das bedeutet, dass das Regenwasser nicht einfach stehen bleibt oder unkontrolliert abrinnt, sondern versickert – und so dem Boden, den Bäumen und allen Pflanzen zur notwendigen Feuchtigkeit verhilft. Regenwasser wird gespeichert und steht den Bäumen länger zur Verfügung, was auch Überflutungen bei den immer häufiger werdenden Starkregenereignissen abschwächt oder sogar verhindert.

„Dazu wird unterhalb der befestigten Oberflächen im Straßenraum eine Schicht aus grobkörnigem Schotter sowie feineren, wasserspeichernden Materialien angelegt,“ erläuterte Ute Schaller von der Baudirektion beim Rundgang. Und fügte hinzu: „Die Bäume stehen wie üblich in ihren Baumscheiben, haben aber direkten Kontakt zu den Schotter-Schichten und können diese durchwurzeln.“ So kann das Regenwasser über ein ausgeklügeltes Filtersystem in die Schotterschicht ablaufen.

Internationales Aufsehen: Schwammstadt-Testprojekt

Auch Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, zeigt sich begeistert von den beiden Projekten: „Es ist besonders erfreulich, dass zwei noch eher unbekannte Stärken von Beton hier in der Seestadt gleich in zwei so herausragenden, klimafitten Bauvorhaben gezielt genutzt werden“, sagte er. Gerade wegen des vergangenen Sommers, der zunächst viel Hitze und dann große Mengen Regen brachte, sei er „schon sehr gespannt auf die Erfahrungswerte“, wie er mitteilte: „Das hat gezeigt, dass Klimawandelanpassungen vor allem in der Stadt dringend notwendig sind – dass Beton dabei hilft, ist toll.“

spaun sebastian
DI Sebastian Spaun

„Es ist besonders erfreulich, dass zwei noch eher unbekannte Stärken von Beton hier gezielt genutzt werden.“
DI Sebastian Spaun, VÖZ

Freiflächen nutzen: Öffentlich zugänglich – auch zum Spielen

Toll ist auch, dass die Stadt Wien sich bereit zeigte, die Bildungscampus-Freiflächen auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen – rund um die Uhr. Für Baudirektor Bernhard Jarolim ist das eine Selbstverständlichkeit: „Das soziale Lernen ist das Wichtigste für junge Menschen – ich freue mich, dass wir das nun unterstützen können.“ Neben dem Campusareal darf übrigens selbst unter der U-Bahn-Trasse gespielt werden – Freiräume für alle. Zum Nulltarif. Das heißt: Im Norden der Seestadt entsteht ein Stadtteil, der den Bewohnern und Nutzern mit Sicherheit ebenso gut tut wie dem Klima.

Nach dem Rundgang waren alle überzeugt: Solche Projekte braucht die Welt! Aber wirklich verwundert war niemand, dass ein solches zukunftsweisendes Unterfangen ausgerechnet in Wien verwirklich wird. Schließlich steht die österreichische Hauptstadt wie keine andere Metropole der Welt für Offenheit und Lebensqualität!