Lagerplatz-Ensemble

Wiener Neustadt

Betonskulpturen mit Funktion

Die Produktionshallen des Naturstein-Verarbeitungsbetriebes Kampichler in Wiener Neustadt wurden erweitert und mit einem Lagerplatz-Ensemble ergänzt. Es entstand ein spannungsreicher räumlicher Komplex in einem suburbanen Industrieviertel, der den Beton sprechen lässt.

In den Bestand Büroflächen zu integrieren und das Betriebsareal schrittweise zu vergrößern, lautete zunächst der Auftrag an die Architekten. Und die Halle – die großteils auch vermietet wird – vor allem für funktionale Bedürfnisse umfassend zu adaptieren und mit den notwendigen Einbauten, wie Büros und Meisterkabinen auszustatten. „Mit höchstem gestalterischen Ansatz und höchsten Anforderungen an die Qualität“, betont Matthias Raiger, Architekt und Partner vom Wiener Büro gerner°gerner plus.

Stilvolle Box

Eine einfache Box mit organischem Rückgrat lautet die Antwort der Planer. Ein kompakter Baukörper, umgeben von halboffenen und geschlossenen Lagerplätzen, zeichnet das trapezförmige Grundstück nach und das grenzt das Areal zum umliegenden Industriegebiet ab. Erst wurde die bestehende Fertigungshalle auf eine Gesamtlänge von 180 Meter erweitert und je nach Bedarf der Mieter durch zusätzliche Einbauten wie Meisterkabinen, Sanitäreinrichtungen und Garderoben ergänzt. Die starre Form des Gebäudes löst sich im Bereich der Büros durch rückspringende Verglasungen auf. Dunkel geölte Holzfassungen der Sektionaltore und Betonplatten im Querformat verleihen der Fassade eine rhythmische Abfolge. Damit ein einheitliches Erscheinungsbild gewährleistet wird, gibt es für die Firmenschilder eine klare Vorgabe für deren Anbringung und die zu verwendende Typografie.

Klare Optik

Dem Bedarf der Mieter an zusätzlichen Lagerflächen und dem Anspruch des Bauherrn nach einer „aufgeräumten Optik“ entsprechend, wurde das Areal entlang der Bahnstraße durch zusätzliche Baukörper ergänzt. Entstanden ist in mehreren Bauphasen ein organisches Gebilde von unterschiedlichen, teilweise überdachten Formen, die wie überdimensionale Beton-Skulpturen eine formale Abgrenzung zur Umgebung bilden. Teils spitzwinkelig aus dem Boden wachsend, ist hier eine Formensprache erkennbar, die eine klare Grenze setzt. Präzis definierte Aus- und Einblicke und ein offener Zugang zum Gelände lösen diese jedoch bewusst wieder auf.

Edle Materialien

Ein minimalistisches Gebäude mit raffinierten Details war den Bauherren ein besonderes Anliegen. Unbehandelter Sichtbeton für alle vertikalen Elemente, gebürsteter Travertin für den Boden im Erdgeschoß und Holz für die Galerie, den Treppenaufgang und die Türen ergeben im Zusammenspiel ein klares und ruhiges Gesamtbild. Die äußerst reduzierte Formensprache erforderte dabei Präzision bis ins kleinste Detail. So gibt es beispielsweise keine Attikaabdeckungen und keine Fensterbänke, was für die Schalung des Betons eine große Herausforderung darstellte. „Wir hatten sehr gute Kooperationspartner“, erklärt der Bauherr, „die Zusammenarbeit zwischen Architekt, Baufirma und Gewerken hat wunderbar funktioniert. Papier ist geduldig, ohne gemeinsames Verständnis sind jedoch präzise Details nicht umsetzbar.“ Da er selbst in der Baubranche tätig ist, hatte der Bauherr die Bauaufsicht persönlich übernommen. Um eine einheitliche Textur der Betonoberfläche zu erreichen, wurden die Ankerlöcher der Schalungselemente mit Beton verdichtet und von einem Betonrestaurator mit akribischer Genauigkeit überarbeitet.

Beton: Minimalistisch und Präzise

Beton als Baumaterial war der Wunsch des Bauherrn, was auch den Architekten zugute kam, „für uns war es das beste Material um dieses Projekt umzusetzen“, so Matthias Raiger. Bei den Fertigungshallen kamen tragende Betonfertigteile zum Einsatz: Sandwichkonstruktionen in Sichtbeton mit Wärmedämmung. Die Lagerhallen und die teilweise überdachten Lagerflächen sind in Ortbeton ausgeführt. Dabei wurden die Schalungsbilder exakt geplant und die Oberflächen bearbeitet. „Eine besondere Herausforderung für die Schalung stellten die vom Boden aufstrebenden und abfallenden, dreieckigen Formen der Geländekanten, die sogenannten HP-Flächen dar“, so der Architekt. Auf Verblechungen, die hier den skulpturalen Charakter gestört hätten, wurde bewusst verzichtet. Das Wasser wird über die schrägen Dachflächen und kaum sichtbare Öffnungen abgeleitet. Bei den geschlossenen Hallen wird die Entwässerung innen geführt.

Beton wie Naturstein behandeln

„Auch der Kunststein Beton kann wie Naturstein behandelt werden“, so das Credo des Bauherrn, der als Steinmetz beim Lagerplatz-Ensemble die Bearbeitung der Betonflächen durch Stocken vorgeschlagen hatte. Eine Behandlung der Oberflächen, die bei Naturstein üblich und für den grobkörnigen und matten Effekt verantwortlich ist. Eine raue Haptik, die den großformatigen Flächen einen individuellen Charakter verleiht. Die große Nachfrage nach Mietflächen und die folglich ständige Erweiterung des Geländes beweist, dass anspruchsvolle Ästhetik auch im Industriebau ihren Zuspruch findet.

Projektdaten:

Bauherr: Kampichler Josef GesmbH, Wiener Neustadt
Architektur: architekten gerner und partner zt gmbh, Wien
Projektleitung Architektur: Matthias Raiger
Statik: Dipl. Ing. Franz S. Müller Ziviltechniker GmbH, Wiener Neustadt
Baufirma: Sperhansl BaugesmbH, Thernberg
Ortbeton: Reiterer GmbH, Wiener Neustadt
Fertigstellung: Juni 2015
Grundstücksfläche: 18.216 m2
Bebaute Fläche: 5.838 m2
BGF: 7.108 m2
Fotos: gerner°gerner plus | Matthias Raiger