Kindergarten St. Gebhard

Bregenz

Kontrast als Balance

Großzügige Räume mit viel Licht, Durchblick und Bezug zur Natur. Hochwertige Materialien – Sichtbeton, Holz und Glas – die unverfälscht gezeigt werden und dem Gebäude Urbanität und gleichzeitig Gemütlichkeit verleihen.

Mit dem neuen Kindergarten St. Gebhard in Bregenz zeigen die Architekten Dorner\Matt eine innovative und selbstbewusste räumliche Dimension, die den Kindern sowohl Weite als auch Geborgenheit bietet.

Der 1968 nach den Plänen von Guntram Mätzler als Ensemble mit Kirche und Pfarrsaal erbaute Kindergarten im Stadtteil Schendlingen-Vorkloster, galt für seine Zeit als zukunftsweisender Sichtbetonbau. Längst an die Grenzen seiner Kapazitäten gelangt, entschieden die städtischen Gremien, den Bestand für drei Gruppen abzureißen und einen Neubau für sechs Gruppen zu errichten. 2017 wurde zu einem Wettbewerb geladen. Das einstimmig ausgezeichnete Siegerprojekt von Dorner\Matt\Architekten folgt der Architektursprache des Ensembles im urbanen Zentrum rund um die Kirche St. Gebhard. Als Passivhaus mit Biogas-Heizung und einer Photovoltaik-Anlage führt es dessen Innovationsgeist weiter in eine heutige Interpretation. Das Gebäude erhielt eine Nominierung für den österreichischen Bauherrenpreis 2021.

Lineare Fortsetzung

Der Neubau schließt direkt an den Pfarrsaal an und führt das Vordach des Bestandes weiter. Eine Fuge als Abgrenzung zum Obergeschoß betont diese formale Kontinuität, die sich dem L-förmigen Grundriss folgend, nordseitig in Oberlichten fortsetzt. Den räumlichen Übergang bildet straßenseitig ein Turnsaal, der auch von außen begehbar und somit auch anderweitig nutzbar ist. Vertikale Streben der Fassade von Kirche und Pfarrsaal aus Beton finden ihre Fortsetzung in Betonlamellen der nördlichen Fassade des Kindergartens. Sie bilden sowohl eine kompakte Abgrenzung zum öffentlichen Fahrrad- und Gehweg als auch eine natürliche Belichtung und geben Ausblick zu alten Bäumen, die sich über die gesamte Gebäudehöhe erstrecken. Vom Bestand übernommen wurden auch die Sheddächer: Drei Elemente – alle zur Kirche nach Süden hin orientiert – bringen ausreichend Tageslicht bis ins Erdgeschoß. Auch im Garten sind die alten Bäume erhalten geblieben, Erdhügel, Rollerweg und ein kleiner Pavillon aus Beton machen ihn zu einem attraktiven Spielplatz.

Vielfältiges Raumerlebnis

Entgegen einer Verniedlichung des Gebäudetypus Kindergarten zeigt sich die Gestaltung der Innenräume großzügig und unkonventionell. Das bis zu acht Meter hohe Foyer mit Luftraum, Treppen, Brücken und Vorplätzen bietet Orientierung und ein urbanes Erlebnis von Weite und Dimension. Es durchzieht die gesamte Gebäudelänge mit 50 Metern und führt zu den Gruppenräumen, die wie Schatullen in den urbanen Raum eingefügt sind. Eine schlichte Innenausstattung aus Holz mit viel Liebe zum Detail, Blickbeziehungen in das Foyer und Panoramablick in den Garten bieten die besten Voraussetzungen für das Wohlbefinden von rund 120 Kindern zwischen drei und sechs Jahren. „Die ersten Lebensjahre sind für einen Menschen prägend,“ erläutert der Architekt Christian Matt. „Wächst man in großzügigen Räumen auf, inhaliert man diese und denkt in Zukunft vielleicht auch in anderen Dimensionen.“

Flexible Bespielung

Das gesamte Kindergartenteam wurde bereits in die Planung mit eingebunden, um die Räume so flexibel zu gestalten, dass sie für das pädagogische „teiloffene Konzept“ die besten Bedingungen bieten. Jedes Kind hat einen festen Platz in einer Stammgruppe, kann sich aber zu Spielzeiten für die verschiedenen Lernwerkstätten wie Lese-, Bau-, Musik- oder Kochwerkstatt frei entscheiden. Diese Selbständigkeit soll die eigenen Interessen, den freien Willen und die sozialen Kontakte stärken. Damit die Räume aber auch für zukünftige Konzepte adaptierbar sind, haben die Architekten bewusst auf eine farbliche Gestaltung verzichtet und hochwertige, zurückhaltende Materialien gewählt.

Harmonisches Gesamtbild

Konsequent ist der Einsatz der Baustoffe. Alle „urbanen“ Bereiche sind auch im Innenraum in Sichtbeton ausgeführt, dessen Verwendung aus dem Bestand abgeleitet wurde. „Wo außen Sichtbeton verwendet wird, erwartet man diesen auch innen, nur so erscheint uns die Verwendung eines Materials authentisch“, erläutert die Projektleiterin Saskia Jäger. Im Kontrast dazu sind die Gruppenbereiche in Eichenholz ausgeführt und bilden so ein harmonisches Gesamtbild. Demselben Prinzip folgen auch die Böden: Geschliffener Estrich bestimmt die schuhläufigen Bereiche, die Spielzonen hingegen sind mit sägerauen, massiven Eichenbrettern ausgekleidet, die gebürstet und mit Öl behandelt wurden. Der Unterlauf der Treppe aus Betonfertigteilen – wo sich attraktive Spielnischen ergeben – wurde zum Schutz gepolstert und ist dadurch auch akustisch wirksam. Ebenso die Filzvorhänge im Foyer, die bei Bedarf in den Gruppenräumen auch Sichtschutz bieten. Ein gekonnter Materialmix für einen unkonventionellen Kindergarten, der Architektur bereits in jungen Jahren erlebbar macht.

Projektdaten, Kindergarten St. Gebhard, Bregenz:

Bauherr: Amt der Landeshauptstadt Bregenz
Standort: Holzackergasse 2, 6900 Bregenz
Architektur: Dorner\Matt, Bregenz
Bauleitung: Ing. Christian Freuis
Projektleitung: DI Arch. Saskia Jäger
Baumeister: Ing. Mathias Säly, Jäger Bau GmbH, Schruns
Statik: Hämmerle-Huster, Statik-Ziviltechniker-GmbH, Bregenz
Haustechnik: W. Pflügl, Bregenz
Bauphysik: DI Bernhard Weithas GmbH, Lauterach
Transportbeton: Express Beton, Lauterach
Betonfertigteile: Nägele Betonfertigteilwerk, Röthis
Wettbewerb: Jänner 2018, Planungsbeginn April 2018
Bauzeit: April 2019 – September 2020
Grundstücksfläche: 4.490 m²
Nutzfläche: 1.547 m²
Bebaute Fläche: 1.072 m²
Materialien: Stahlbeton, Glas, Eichenholz

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Fotocredits: © Bruno Klomfar